Fructose-Malabsorption
Ruhe für den Darm
Von Andrea Pütz / »Fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag!«, lautet der Appell der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Manche Menschen reagieren allerdings auf Obst mit Krämpfen und Durchfällen. Doch wenn sie die problematischen Lebensmittel einfach weglassen, wie sichern sie dann ihren Bedarf an Vitaminen und Mikronährstoffen?
Ursache der Fructose-Malabsorption ist ein Defekt im für Fructose zuständigen Transportsystem GLUT5 innerhalb des Dünndarms. GLUT5 schleust das Monosaccharid Fructose aus dem Dünndarmlumen in die Dünndarmzellen und weiter in den Blutkreislauf. Somit bestimmt seine Kapazität die Mengen, die aus dem Darm resorbiert werden können. Bei Menschen mit einem angeborenen oder erworbenen Defekt des Transportsystems GLUT5, bleibt Fructose im Darmlumen zurück. Als Folge gelangen hohe Fructosemengen in den Dickdarm, wo Kolonbakterien die Fructose fermentieren. Hierbei entstehen Wasserstoff (H2), Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und kurzkettige Fettsäuren (short-chain fatty acids, SCFA). Die Gase, aber auch die Fettsäuren führen zu den typischen Darmproblemen: Episodisch wechseln sich dann Blähungen, Krämpfe, Völlegefühl, Übelkeit, Durchfälle und Verstopfung ab. Das Ausmaß der Beschwerden hängt von der aufgenommenen Fructosemenge ab. Geringe Mengen sind relativ gut verträglich, weil bei den Betroffenen noch eine Restaktivität des Transportersystems vorhanden ist.
Auch der Zuckerersatzstoff Sorbit kann den Transporter GLUT5 vorübergehend blockieren, sodass die Symptome zunehmen. Sorbit wird diätetischen Lebensmitteln für Diabetiker zugesetzt und ist als Sorbitol oder E 420 auf der Zutatenliste der Fertigprodukte aufgeführt. Die »Alkoholform« der Fructose kommt aber auch natürlicherweise in Obst und Obstsäften vor, beispielsweise in getrockneten Pflaumen, Rosinen, Birnen und Apfelsaft.
Hereditäre Fructose-Intoleranz Die Fructose-Unverträglichkeit oder -Malabsorption darf nicht mit der hereditären Fructose-Intoleranz verwechselt werden. Die Intoleranz ist eine angeborene Stoffwechselstörung, bei der den Patienten das Enzym Aldolase B (Fructose-1-phosphataldolase) fehlt. Durch den Defekt fällt toxisches Fructose-1-Phosphat im Stoffwechsel an, das für die Symptome der Erkrankung verantwortlich ist. Etwa 1 Baby von 20 000 Neugeborenen kommt mit diesem Gendefekt auf die Welt. Diese Erkrankung ist zwar selten, wirkt sich aber auf die Lebensqualität der Betroffenen erheblich aus: Jeglicher Genuss von Fructose löst lebensbedrohliche Schäden an Leber und Nieren sowie Hypoglykämien aus. Daher müssen Betroffene sich streng fructosefrei ernähren. |
Im Unterschied zu Sorbit stimuliert Traubenzucker (Glucose) die Resorption des Fruchtzuckers, sodass Menschen mit Fructose-Malabsorption eine Mischung aus Glucose und Fructose relativ gut vertragen. Wer Speisen mit Traubenzucker süßt, kann so offenbar die Fructoseresorption normalisieren. Auch aus Haushaltszucker (Saccharose) entsteht im Darm Glucose. Als Disaccharid wird Saccharose in je ein Molekül Fructose und ein Molekül Glucose aufgespalten.
Folge Depression
Neben den quälenden Verdauungsproblemen scheinen Menschen mit Fructose-Malabsorption auch häufiger an Depressionen zu erkranken als Gesunde. Forscher haben dazu folgende Theorie entwickelt: Fructose bildet im Darmlumen mit der Aminosäure Tryptophan einen Komplex, sodass die Aufnahme von Tryptophan in den Blutkreislauf vermindert wird. Um das sogenannte »Glückshormon« Serotonin zu bilden, braucht der Körper allerdings Tryptophan. Ein Mangel an Serotonin gilt wiederum als Ursache für Depressionen.
Aufgrund der veränderten Darmflora treten bei Menschen mit Fructose-Malabsorption relativ oft Mangelerscheinungen für Zink und Folsäure auf sowie für weitere Spurenelemente und auch Vitamine. Andauernde Durchfälle, die den Körper regelrecht »auslaugen«, spielen hierbei sicher eine Rolle.
Insgesamt ähneln die Symptome der Fructose-Malabsorption den Beschwerden bei Reizdarmsyndrom. Umso wichtiger ist es daher, dass die Patienten genau untersucht werden. Durch eine gezielte Diagnostik müssen andere Erkrankungen wie Zöliakie, Lactose-Unverträglichkeit oder Reizdarmsyndrom sicher ausgeschlossen werden. Apropos Lactose-Intoleranz: Interessanterweise leiden circa 80 Prozent der Menschen mit Lactose-Malabsorption gleichzeitig ebenso unter einer Fructose-Malabsorption.
In der Diagnostik hat sich ein standardisierter Atemtest bewährt. Da nach dem Verzehr Fructose-haltiger Lebensmittel relativ rasch der im Dickdarm gebildete Wasserstoff über die Darmschleimhaut resorbiert und über die Lunge abgeatmet wird, lässt sich das H2 in der Atemluft nachweisen.
Atemtest zur Diagnose
Für den Test muss der Patient morgens nüchtern (ohne Zähneputzen!) eine konzentrierte Lösung von ungefähr 25 bis 50 g Fructose in 250 ml Wasser trinken und nach jeweils 30, 60, 90 und 120 Minuten in einen Beutel oder ein Gerät ausatmen. Anschließend wird die Atemluft analysiert. Definitionsgemäß gilt eine Fructose-Malabsorption dann als bewiesen, wenn der Wasserstoff-Gehalt 20 ppm über dem Ausgangswert liegt.
Negativliste
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Positivliste Früchte und Gemüse mit geringem Fructosegehalt, die meist gut vertragen werden:
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Gleichzeitig sollte auch die Methankonzentration bestimmt werden, weil bei manchen Patienten so viele Methan produzierende Bakterien den Darm besiedeln, dass diese den entstandenen Wasserstoff komplett verbrauchen. Das Resultat: Wasserstoff ist in der Atemluft nicht mehr nachweisbar, obwohl eine Fructose-Malabsorption vorliegt. Solche Patienten heißen im Fachjargon »Non-H2-Responder«. Durch die Methanbestimmung in der Ausatemluft lässt sich die Aussagekraft des Testergebnisses auf fast 100 Prozent steigern, sodass kaum noch falsch negative Ergebnisse vorkommen.
Der 3-Stufen-Plan
Indem sie ihre Ernährung umstellen, ist die Mehrzahl der Betroffenen beschwerdefrei. Im Rahmen eines Beratungsgesprächs können PTA und Apotheker den Patienten hierzu praktische Tipps geben. Die Umstellung erfolgt am besten in drei Schritten:
1. Die Karenzzeit
Zwei bis vier Wochen lang müssen die Patienten alle Lebensmittel, die Fructose und Sorbit enthalten, komplett von ihrem Speiseplan verbannen (siehe Negativliste). Außerdem sollten sie auf ballaststoffreiche und blähende Lebensmittel wie grobe Vollkornbrote, Zwiebeln, Lauch und Kohl verzichten, um dem Darm erst einmal Ruhe zu gönnen. Wer reichlich stilles Wasser und Kräutertees trinkt, unterstützt die Regeneration der Darmflora zusätzlich.
2. Die Testphase
Haben sich die Beschwerden gelegt, kann die individuelle Toleranzgrenze ausgelotet werden. Jetzt können sich die Betroffenen sechs Wochen lang an eine tolerierbare Menge für Fruchtzucker herantasten. Dazu wählen sie zunächst Gemüse- und Obstsorten aus, die relativ wenig Fructose enthalten (siehe Positivliste). In dieser Phase hat sich ein Ernährungstagebuch bewährt, in dem die Betroffenen alles, was sie essen, sowie ihr Befinden aufschreiben. Woche für Woche können die Patienten dann auch kleine Mengen fructosereicherer Früchte ausprobieren.
3. Die Langzeiternährung
Langfristig lautet die Strategie: so viel(fältig) essen, wie individuell verträglich. Die Ernährung muss auf Dauer abwechslungsreich und bedarfsgerecht sein, damit sie den (Mikro-)Nährstoffbedarf an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen deckt. Mit der Zeit, das heißt vor allem aufgrund der Erfahrungen aus der zweiten Phase, entwickeln Betroffene ein Gefühl dafür, welche Lebensmittel beziehungsweise Mengen an Fruchtzucker sie gut vertragen.
Tipps für Patienten
Zusätzlich können PTA und Apotheker den Betroffenen die Sanierung der Darmflora empfehlen, da eine intakte Mikroflora die perfekte Basis für die Ernährungsumstellung ist. Ideal ist ein rein probiotisches Produkt, da Präbiotika einen Zusatz von Inulin (Polysaccharid aus Fructose) oder Oligofructose enthalten. Dann wird im Darm Fructose frei, die zu Beschwerden führt.
Zu Beginn der Ernährungsumstellung hilft außerdem das Enzym Xylose-Isomerase. Es ist in Kapseln als Nahrungsergänzungsmittel zur Unterstützung der Fructoseverdauung auf dem Markt.
Vor allem in der ersten Karenzphase sind Kombinationspräparate aus Mineralien und Mikronährstoffen ein guter Tipp.
Das war ein Artikel aus dem PTA-Forum, nachzulesen hier.
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